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Mit Licht? - immer!

1987 fuhr ich eines schönen Sommertags von der Arbeit in Hamm-Schmehausen nach Haus und passierte dabei die Autobahn-Auffahrt Hamm-Uentrop. Ein LKW stand auf der Linksabbiege-Spur, um auf die Autobahn Richtung Dortmund abzubiegen. Nachdem der Fahrer keinen entgegen kommenden Verkehr mehr sah, fuhr er los. Sekunden später krachte ein 7er BMW mit 2 Insassen frontal in den LKW.

Was war passiert? Der BMW mit grau-metallic Tarnfarbe war im Schatten unter der Autobahnbrücke nicht zu erkennen, so dass der LKW-Fahrer dem PKW die Vorfahrt nahm. Hätte der BMW Fahrlicht eingeschaltet, wäre er ganz sicher nicht übersehen worden. Ohne Licht gab es nun aber 2 Verletzte und einen um 50 cm verkürzten BMW mit Totalschaden. Seitdem fahre ich immer mit Licht! Ich will nicht übersehen werden! Übrigens auch mit dem Fahrrad!

In Skandinavien und Kanada ist seit den 80er Jahren, in inzwischen 16 europäischen Ländern weniger lange vorgeschrieben, beim Fahren mit einem Kraftfahrzeug stets das Fahrlicht einzuschalten, wenngleich dies in einigen Ländern inkonsequenterweise nur im Winterhalbjahr, zum Teil auch nur außerorts gilt.

In Deutschland hat es Mitte der 80er Jahre eine Initiative der Verkehrswacht und der Verwaltungsberufsgenossenschaften (VBG) gegeben, immer mit Licht zu fahren. Am Straßenrand sah man dazu das links abgebildete Schild:

Verkehrswacht und VBG haben sich 2005 an die Schutzfunktion des Tagfahrlichts erinnert und vereinzelt neue Plakate an den Straßenrändern aufgestellt. Immerhin sind die Plakate diesmal zweisprachig, weil in Deutschland ja immer weniger Menschen Deutsch verstehen.

In den Ländern, in denen das Fahrlicht zum ständigen Muss geworden ist, ist die Gesamtzahl der Unfälle zwischen 5% und 10% zurück gegangen. Der Grund dafür liegt darin, dass ein Fahrzeug mit Fahrlicht besser gesehen und und früher erkannt wird - nicht nur bei Regen oder Nebel sondern auch und gerade bei völlig klarem Himmel und strahlendem Sonnenschein: Wo viel Licht ist, ist bekanntlich auch viel Schatten, und ein Auto im Schatten von Bäumen oder einer Brücke ist genauso schlecht zu erkennen wie ein Auto im Nebel.

Auch in Deutschland hätten also schon seit 20 Jahren zwischen 5% und 10% aller Unfälle vermieden werden können, wenn unser Bundesverkehrsminister sich am fortschrittlichen, verantwortungsbewussten Ausland orientiert hätte. Das heißt letztlich auch: 5% bis 10% aller Unfälle, aller Verkehrstoten und -verletzten in Deutschland der letzten 20 Jahre hat unser Bundesverkehrsminister direkt zu verantworten, weil er es wider besseren Wissens unterlassen hat, die Autofahrer durch die Lichtvorschrift vor vermeidbaren Unfällen zu schützen.

Sind Sie Leidtragender eines Unfalls, bei dem Sachen oder Personen zu Schaden oder sogar ums Leben gekommen sind, weil ein Fahrzeug zu spät oder gar nicht gesehen wurde? Verklagen Sie das Verkehrsministerium auf Schadenersatz! Es trägt eine wesentliche Mitschuld an solchen Unfällen.

Mittwoch vor der Wahl 2005: Der Bundesverkehrsminister Stolpe muss meine Web Site gelesen haben! Er kündigt an, dass er die deutschen Autofahrer dazu bringen will, freiwillig auch am Tag Fahrlicht einzuschalten! Eine gesetzliche Regelung sei zunächst nicht geplant. Nun, viel Zeit blieb ihm nach der Wahl nicht mehr, um die Autofahrer zu überzeugen. Das Ziel seines Nachfolgers Tiefensee ist es, "dass künftig alle Neuwagen in Europa serienmäßig mit Tagfahrleuchten vom Band rollen". Von einer Pflicht zum Tagfahrlicht spricht er nicht, obwohl Tagfahrlicht für ihn persönlich selbstverständlich sei.

An Peinlichkeit nicht zu übertreffen ist auch ein älterer Kommentar des ADAC zu diesem Thema. Ein Leser der ADAC-Zeitschrift "motorwelt" hatte vor einigen Jahren angefragt, warum der ADAC die Forderung nach Tagfahrlicht nicht unterstützt. Die unfassbare Antwort: "Durch eine allgemeine Pflicht zum Fahren mit Licht würden die Motorradfahrer, die ja schon mit Licht fahren müssen, den Vorteil verlieren, besonders gut gesehen zu werden."

Also: Motorradfahrer sind es wert, besonders gut gesehen zu werden, aber einen einfachen Autofahrer darf man gestrost übersehen und es zu vermeidbaren Unfällen kommen lassen! Der ADAC schafft damit eine ganz neue Art von Klassengesellschaft, offenbar sind ihm seine autofahrenden Clubmitglieder weit weniger wert als die motorradfahrenden. Ich meine allerdings: Jeder Verkehrsteilnehmer hat das Recht, nicht übersehen zu werden.

Nach 20 Jahren Ignoranz hat auch der ADAC jetzt zugelernt und fordert in der motorwelt 1/2006 "eine schnelle nationale Regelung: Einführung der Lichtpflicht am Tag sowie obligatorische, serienmäßige Ausstattung aller Neufahrzeuge mit Tagfahrleuchten und einem zusätzlichen Dämmerungsschalter, der das Abblendlicht bei Dämmerung automatisch aktiviert." Es dauert halt etwas länger, bis auch in München der Groschen fällt (in der ADAC-Zentrale). Übrigens: Im Emsland und Ostfriesland fahren seit Jahren weit über 50% aller Autos auch am Tag mit Licht. Und wer es nicht tut, kommt meist von außerhalb der Region. Das flache Land im Norden schärft also doch den Weitblick. Vielleicht sollte man die ADAC-Zentrale nach Lingen/Ems verlegen?

Gegenverkehr

Herrlicher Sonnenschein. Der Gegenverkehr ohne Fahrlicht ist im Schatten der Bäume kaum zu erkennen. Hier droht die Gefahr, den Gegenverkehr zu übersehen! In weiter Entfernung ist dagegen das nachfolgende Fahrzeug mit Fahrlicht bereits gut zu erkennen.

Gegenverkehr

Weithin sichtbar: Gegenverkehr mit Fahrlicht.

Jeder Autofahrer, der - egal bei welchem Wetter - ohne Fahrlicht fährt, ist potentiell schuldig an der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung eines Unfalls.

Mit Licht? Immer!

Copyright © 2005 Helmut Schultze (info@multze.de)
Letzte Aktualisierung 03.03.2006